Für uns ist der Weltfrauentag nicht nur einmal im Jahr! Wir widmen den März unseren Powerfrauen und veröffentlichen jeden Freitag ein Interview. Heute begrüßen wir Katrin Hunstock (Beratungsingenieurin bei Eurovia Deutschland).
infraTest: Hallo Frau Hunstock, Sie sind Beratungsingenieurin bei der Eurovia Deutschland. Wussten Sie nach dem Schulabschluss sofort welchen Beruf Sie erlernen wollten?
K. Hunstock: Ja, ich bin meinen Werdegang sehr strukturiert angegangen. Schon während der Oberstufe war klar, dass ich Bauingenieurwesen studieren wollte. Einblicke in die Praxis sind mir schon immer wichtig gewesen. Daher absolvierte ich noch zu Schulzeiten einige Praktika. Die Eindrücke aus dem Ingenieurbüro, Straßenbaulabor und Verkehrsplanungsbüro halfen mir dabei herauszufinden, auf welchen Bereich ich mich spezialisieren wollte. Am Schluss ist es Straßenbau geworden, weil mich das Praktikum im Labor am meisten überzeugte. Ich finde es toll, zu sehen, was wir erschaffen können. Meine Berufswahl war eine ganz bewusste Entscheidung, mit der ich bis heute sehr zufrieden bin! Bei Eurovia Deutschland habe ich meinen Platz gefunden.
infraTest: Gibt es Fächer in dem Studium, an denen man besondere Freude haben sollte und wie war die Verteilung zwischen Männern und Frauen?
K. Hunstock: Ich denke, man sollte unbedingt eine Affinität zu Mathe haben. Im Studium muss man sehr viel rechnen. Hinsichtlich der Verteilung von Männern und Frauen gab es früher einen männlichen Überhang. Ich würde schätzen, dass in meinem Studiengang 10 % Frauen vertreten waren. Das dürfte sich inzwischen geändert haben.
infraTest: Was beinhaltet nun Ihr Aufgabengebiet?
K. Hunstock: Ich berate Niederlassungen und Mischanlage bei technischen Fragestellungen. Dazu gehört auch die Unterstützung bei Ausschreibungen, die Planung und nachträgliche Abwicklung. Ergänzend bin ich für technische Schulungen von den Kolonnen bis hin zum Niederlassungsleiter verantwortlich. Besonders viel Spaß macht mir die Abwechslung in meinem Job. Ich lerne immer etwas dazu. Interaktive und spannende Webseminare in der aktuellen Zeit zu gestalten war für mich neu, aber ich habe mich gerne dieser Aufgabe angenommen.
infraTest: Sie sind in einer leitenden Position. Welche Eigenschaften sollte Ihrer Meinung nach eine gute Führungskraft mitbringen?
K. Hunstock: Definitiv soziale Kompetenz! Nicht jeder Fachspezialist besitzt auch Führungskompetenzen. Es ist wichtig ehrlich, zu sich selbst zu sein und den Mut aufzubringen, sich seine Schwächen einzugestehen. So gelingt es, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und den Weg zu finden, der zu einem passt.
Zudem sind Selbstreflexion und Selbstbewusstsein wichtige Eigenschaften, genauso wie die Fähigkeit geleistete Arbeit wertschätzen und honorieren zu können. Nicht nur strategische Aufgaben sind für ein Unternehmen wichtig. Auch die operative Baustellenarbeit verdient genauso viel Anerkennung.
infraTest: Was macht uns Frauen aus? Ein weit verbreitetes Klischee ist, dass Frauen sensibel sind. Wenn das so ist, wären wir prädestiniert für Führungspositionen, da wir ein besseres Gespür für Zwischenmenschliches hätten?
K. Hunstock: Ich denke, unsere Hauptmotivation ist seltener Prestige. Man kann nichts pauschalisieren und aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen, dass sich Frauen in erster Linie mit Ihrer Arbeit identifizieren und Spaß an dieser haben müssen. Wir entscheiden manches aus dem Bauch heraus. Jedoch nicht ohne uns vorab genau informiert zu haben. Dies ist allerdings vom Charakter und nicht vom Geschlecht abhängig. Selbstbewusste Frauen wissen, wo ihre Grenzen liegen und was ihre Stärken sind.
infraTest: Wie deutlich spürt man es als Frau, in einer Männerdomäne zu arbeiten? Müssen junge Frauen mehr für ihren Erfolg leisten?
K. Hunstock: Vor 18 Jahren habe ich in der Baubranche angefangen und zu dieser Zeit war es noch schwierig, sich als Frau eine Führungsposition zu erkämpfen. Auch auf den Veranstaltungen unserer Branche sind Frauen deutlich in der Unterzahl. Man kann nicht abstreiten, dass unsere Branche ein „Männer-Club“ ist. Aber ich habe durch Praktika und meine Berufserfahrung Einblicke in unterschiedlichste Bereiche gewonnen, sodass ich mit meinem Know-how überzeugen konnte.
infraTest: Würden Sie sich mehr Frauen in unserer Branche wünschen?
K. Hunstock: Es würde mit Sicherheit nicht schaden. Ich bin davon überzeugt, dass mehr Frauen in unserer Branche arbeiten würden, wenn wir mehr Bewerberinnen hätten. Vielleicht ist es eine Sache der Erziehung, des Gesellschaftsbilds, ein Marketing-Thema oder eine Frage der Ausbildungsinhalte. Tatsache ist, dass sich deutlich weniger Frauen für unseren Bereich bewerben.
infraTest: Gibt es Vorurteile, die Männer besonders häufig bestätigen?
K. Hunstock: Es ist menschlich, in Schubladen zu denken. Dennoch fällt es uns öfter auf, wenn ein Mann ein Klischee bedient. Die Tatsache, dass zuvor viele Männer anders reagiert haben, rückt schnell in den Hintergrund. Wir sollten nichts verallgemeinern. Insbesondere die nachkommende Generation steht für Offenheit und beweist, dass es Zeit ist, starre Denkweisen aufzubrechen.
infraTest: Viele gebildete junge Frauen streben eine erfolgreiche Karriere an und wünschen sich dennoch eine Familie mit Kindern. Der Drang nach Selbstverwirklichung wird bei der nachkommenden Generation immer stärker. Wie kann man sich beide Wünsche erfüllen?
K. Hunstock: Es ist nicht einfach, aber machbar. Zu meinem Job gehören viele Reisen. Ich bin demnach unter normalen Umständen selten zu Hause. Ohne einen starken und verständnisvollen Partner wird es eine Herausforderung, Kinder und Job unter einen Hut zu bringen. Jede Frau muss sich im Vorfeld darüber klar werden, welche Ziele sie verfolgt und diese mit Ihrem Partner abstimmen.
infraTest: Wie viel private Zeit bleibt einer Führungskraft überhaupt?
K. Hunstock: Das kommt ganz darauf an. Es gibt Phasen in denen man auch an Wochenenden oder Feiertagen arbeitet. Nicht nur, weil man muss, auch weil man intrinsisch motiviert ist, sich für ein Thema interessiert oder eine Aufgabe abschließen möchte. Dafür hat eine Führungsposition mehr Freiheiten und natürlich gehört der Urlaub dem Privatleben. Es ist nicht immer erforderlich Mehrarbeit zu leisten, aber sie gehört dazu.
infraTest: Welche Erfahrungen wollten Sie nicht mehr missen und worauf sind sie besonders stolz?
K. Hunstock: Ich würde alles genauso wieder machen und wollte sowohl meine Glanzstunden als auch Niederlagen erleben. Wir lernen aus schwierigen Situationen und wissen beim nächsten Mal, wie es besser geht. Vielleicht sind wir Frauen dabei etwas selbstkritischer oder neigen zum Perfektionismus.
infraTest: Was wünschen Sie jungen Frauen, die jetzt in unsere Branche einsteigen und welchen Rat würden Sie ihnen mit auf den Weg geben?
K. Hunstock: Man muss nicht sofort alles können. Wir wachsen an unseren Herausforderungen und so kann auch das Selbstbewusstsein wachsen. Macht Euch nicht klein, aber seid trotzdem selbstreflektiert. Gebt nicht auf und glaubt an Euch selbst!